Viren sind im engeren Sinne keine Lebewesen. Sie bestehen lediglich aus Erbgut, vergleichbar mit einer Computerfestplatte, und einer Hülle aus Proteinen (Eiweißmolekülen), vergleichbar mit einem Computergehäuse. Ein Computer könnte in so einem Fall, also nur mit Festplatte und einem Gehäuse ausgestattet, niemals funktionieren. Ähnlich ergeht es den Viren. Auf sich allein gestellt, sterben sie nach Stunden bis Tagen ab. Geraten sie allerdings in eine menschliche Zelle, kapern sie deren Stoffwechsel und vermehren sich wie Parasiten. Die vollkommen überlastete, später dann schwer geschädigte oder auch abgestorbene Zelle stößt die neu produzierten Viren wieder aus. Folglich vermehren sich Viren nur in ihrem Wirt, also dem infizierten Organismus. Treffen die ausgeschiedenen Viren nun auf gesunde Zellen, werden auch diese befallen und massiv geschädigt. Im schlimmsten Fall verbreiten sich die Viren nach dem Schneeballsystem mit einer raschen Verschlechterung der Organfunktionen. Bei einer Infektion mit Sars-Cov-2 kann es über eine Lungenentzündung, mittlerweile COVID-19 genannt, zu einem kompletten Versagen der Lungen kommen, in der medizinischen Fachsprache auch als ARDS (Acute Resipratory Distress Syndrome) bezeichnet. Das betrifft vor allem Menschen mit einem geschwächten Immunsystem. Deren Körper ist nicht in der Lage, sich gegen die rasante Ausbreitung der Viren zu wehren. In so einem Fall würden nur noch Medikamente helfen, die eine Vermehrung der Viren unterdrücken, sogenannte Virustatika. Wissenschaftler und Ärzte suchen mit Hochdruck nach einem Medikament, das auch gegen Sars-Cov-2 wirkt und dessen Vermehrung stoppen kann. Bislang existiert aber noch kein wirksames Medikament, auch wenn einige “Fake News” und einzelne unseriöse Politiker hier falsche Hoffnungen verbreiten.

Was ist nun besonders an Sars-Cov-2? Bei diesem Virus handelt es sich um ein sogenanntes RNA-Virus. Im Gegensatz zu den sogenannten DNA-Viren sind RNA-Viren verhältnismäßig einfach strukturiert. Sämtliche Erbinformation werden bei höheren Lebewesen wie Menschen und Tiere im Zellkern gespeichert. Das ist eine stabile Konstruktion, vergleichbar mit einer hochwertigen Festplatte. Wie bei einem Computer werden hier alle wichtigen Informationen und Bauanleitungen der Zelle codiert. Der “Datensatz” der Zelle ist etwas komplexer als bei einem Computer. Es existieren vier unterschiedliche Codesignale, die auch als A, T, G und C bezeichnet werden. Drei dieser Signale (sogenannte Triplets) codieren jeweils für eine Aminosäure als Baustein für komplexe Eiweißmoleküle mit verschiedenen Funktionen (z.B. Enzyme oder Transportmoleküle). Der Code eines Eiweißmoleküls wird im Zellkern von der DNA abgelesen und als RNA hinaus in die Zelle transport (sogenannte Transkription, s Abbildung). Die Zelle produziert schließlich nach der RNA-Bauanleitung das neue Eiweißmolekül (sogenannte Translation, S. Abbildung).

Scientific biological model DNA and RNA transcription and translation vector illustration isolated on white background. Spiral genetic structure for educational concepts.

Was unterscheidet nun DNA von RNA? Die DNA ist sehr stabil in Form von zwei gegenläufigen, quervernetzten Strängen aufgebaut. Schäden an der DNA sind teilweise gravierend und können beispielsweise zu einem unkontrolliertem Wachstum der Zelle führen, umgangssprachlich auch als Krebs bezeichnet. Um dieses zu verhindern, überprüft der Zellkern regelmäßig die Struktur der DNA und beseitigt Fehler, ähnlich wie ein Festplatten-Reparaturprogramm oder ein Virenscanner auf einer Computerfestplatte. Die RNA besitzt dagegen nur einen einzelnen Strang. Sie ist eigentlich nur für eine Übertragung von Befehlen und Bauanleitungen vom Zellkern an die Zelle zuständig. Daher muss sie auch nicht besonders stabil sein. Bei einem Fehler innerhalb der RNA wird nur ein einzelnes falsches Eiweißmolekül produziert. Bei einem Fehler innerhalb der DNA werden dagegen große Mengen an falschen Eiweißmolekülen produziert. Dieser Unterschied spielt auch bei Viren eine zentrale Rolle. DNA-Viren sind sehr stabil und verändern ihre Struktur nur sehr selten. Daher ist gegen DNA-Viren auch eine Impfung möglich, die dann über viele Jahre und teilweise lebenslang anhält. Ein gutes Beispiel ist die Hepatitis-B-Schutzimpfung oder auch die neue Impfung gegen HPV (humane Papillomaviren) zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom). Aufgrund Ihrer instabilen “Datenstruktur” sind RNA-Viren dagegen sehr anfällig für spontane und zufällige Änderungen ihres genetisches Codes, also ihrer Bauanleitung. Solche Veränderungen im Erbgut werden auch als Mutationen bezeichnet. Bereits nach einigen Mutationen kann ein RNA-Virus seine Eigenschaften und auch seine Oberflächenstruktur gravierend ändern. Die Impfung gegen das ursprüngliche RNA-Virus ist dann unwirksam. Auch eine lebenslange natürliche Immunität kann nach einer Infektion mit RNA-Viren ausbleiben. Ein gutes Beispiel sind die Grippeviren (Influenzaviren), die sich von Saison zu Saison ändern und auch in ihrer Aggressivität sehr unterschiedlich sind. Ein besonders aggressiver Grippevirus war die “Spanische Grippe” vor einhundert Jahren mit einer weltweiten Pandemie und geschätzten 50-100 Millionen Toten, darunter auch viele Kinder und Jugendliche.

Infographic with Coronavirus sliced showing its parts, detailed for a easy recognition of this virus: glycoprotein spike, hemagglutinin esterase, membrane protein, envelope, nucleoprotein and RNA.

Auch die Struktur von Sars-Cov-2 ändert sich laufend. In den vergangenen Monaten wurden bereits hunderte Mutationen, also Veränderungen der Genstruktur nachgewiesen. Die meisten dieser Mutationenen haben keine Auswirkung auf die Eigenschaften von Sars-Cov-2. Durch eine Mutation an Position 614 der Eiweißstruktur, auch als D614G-Mutation bezeichnet, hat sich Sars-Cov-2 aber bereits „optimiert“. Was uns hier geboten wird, kann man auch als „Evolution im Zeitraffer“ bezeichnen. Spontane Mutationen gefolgt von einem Prozeß der Auslese: der Bessere gewinnt, in diesem Fall die neue Sars-Cov-2-Variante mit der D614G-Mutation. Dieser Virusstamm setzt sich gerade in Europa und den USA durch.

Eine technisch anspruchsvolle experimentelle Studie des Scripps-Instituts in Florida hat nun untersucht, warum sich diese neue Virus-Variante so effektiv verbreiten kann. Interessanterweise ist sie erheblich stabiler und ansteckender als das ursprüngliche „Wuhan-Virus“. Das macht das neue Coronavirus aber nicht unbedingt gefährlicher. Bislang gibt es keine Hinweise, dass der Krankheitsverlauf aggressiver ist. Leider ist diese Mutation erst der Anfang einer „Optimierung“ von Sars-Cov-2. Das Virus wird sich mittel- und langfristig weiter verändern, so dass zukünftige Infektionswellen wie bei der Grippe zu erwarten sind. In der chinesischen Hauptstadt Peking scheint es gerade zu der gefürchteten „Zweiten Welle“ zu kommen. Angeblich handele es sich dabei um eine aus Europa eingeschleppte Sars-Cov-2-Variante, also möglicherweise um das neue Virus mit der D614G-Mutation. Die Untersuchungen in China laufen auf Hochtouren. Die Regierung versucht es dieses Mal besser zu machen und hat rigorose Eindämmungsmaßnahmen veranlasst. Die Infektionskette konnte bis zu einem Lachsbrett auf einem der größten Lebensmittelmärkte Pekings zurückverfolgt werden. Das bedeutet aber nicht, dass Lachse ein Zwischenwirt waren und infektiös sein müssen.

Die zu erwartenden und bereits vorhandenen Sars-Cov-2-Mutationen werden aber auch andere Probleme verursachen: 1. Änderungen der Oberflächenstruktur könnten zu einem Versagen der aktuell geplanten Impfstoffe führen. Sämtliche in der Entwicklung befindliche Impfstoffe beruhen auf der Struktur des ursprünglichen „Wuhan-Virus“. 2. Einzelne Mutationen können zu falsch negativen PCR-Tests führen. Bislang werden für diese Tests „Gensonden“ (Primer, farblich markierte Hybridisierungssonden) auf der Basis des „Wuhan-Virus“ eingesetzt. Sollte eine Mutation genau in dem Bereich, an dem die Sonden andocken auftreten, versagt der gesamte Test.